Cold Reading

11.9.2007 von maria

Ganz ehrlich, wer hat nicht schon einmal in seinem Horoskop gestöbert oder Tarot-Karten gelegt, um mehr über seine Persönlichkeit oder über seine Zukunft zu erfahren. Es ist schon verblüffend, wie akkurat einige Persönlichkeitsdarstellungen sind. Oder?

Zur Einführung erst einmal folgendes Video:

Die Begriffe hinter diesem Phänomen sind „Barnum Effekt“ und „Cold Reading“.
Der Barnum Effekt basiert darauf, dass Persönlichkeitsmerkmale so allgemein angegeben werden, dass sie auf eine Vielzahl von Personen zutreffen. Der Begriff stammt von dem amerikanischen Psychologieprofessor Paul Meehl. Namensgeber war P.T. Barnum, der im amerikanischen Museum in New York ein bekanntes Kuriositätenkabinett unterhielt, welches für jeden Geschmack etwas zu bieten hatte. 1948 führte Professor Forer eine ähnliche Testreihe mit 39 Psychologiestudenten durch, wie Derren Brown in dem Video. Die meisten Studenten hielten das angefertigte Persönlichkeitsprofil für äußerst zutreffend. In Wirklichkeit hatten alle den gleichen Text erhalten.
Grundlage für die Glaubwürdigkeit von Persönlichkeitstests sind der Umfang der zugrundegelegten Angaben, die Quelle, die den Text erstellt hat und der Inhalt der Aussage.
Je mehr individuelle Angaben zur Grundlage eines Tests gemacht werden, z.B. genaues Geburtsdatum, Geburtsort, familiärer und beruflicher Hintergrund, desto glaubwürdiger ist das Ergebnis. Wichtig ist auch die Quelle der Aussagen: wurde der Test von einem Psychologen ausgewertet, können sich mehr Menschen damit identifizieren, als bei einem Laien. Wer von vornherein an Horoskope, Tarot und ähnliches glaubt, fällt leicht auf Personen herein, die sich als Spezialisten in diesem Gebiet ausgeben.
Inhaltlich kommt es darauf an, positive und negative Eigenschaften in einem solchen Verhältnis zu präsentieren, dass sich ein positives Gesamtbild von der Person ergibt. Ganz weggelassen werden können die negativen Eigenschaften und Ängste nicht. Da jeder sie hat, sind sie für die Glaubwürdigkeit einer Testaussage von grundlegender Bedeutung.
Dazu kommt, dass bestimmte Dinge, die nicht zutreffen, überlesen werden -während andere Persönlichkeitsmerkmale, die zutreffen oder die der Proband gerne hätte, in den Vordergrund gerückt werden. So kann sich jeder in einer Persönlichkeitsbeschreibung wiederfinden.
Je unsicherer die Testperson bezüglich ihrer eigenen Persönlichkeit ist und je offener sie solchen Dingen gegenübersteht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich darin wiederfindet.Der Grund für dieses Phänomen ist auch der Glaube an die Einzigartigkeit seiner selbst. Wer denkt schon, dass sich seine Persönlichkeit mit genau den gleichen Attributen beschreiben lässt, wie die anderer Personen?
Cold Reading ist die praktische Anwendung des Barnum Effekts. Es wird von Tarotkartenlegern, Horoskoperstellern, Medien, die mit den Toten reden und ähnlichen Berufsgruppen praktiziert. Es gibt Ereignisse, die im Leben der meisten Menschen vorkommen, wie Todesfälle im nahen Bekannten- oder Verwandtenkreis, Krankheiten, Unfälle, Beziehungsprobleme, Berufswechsel, große Veränderungen und ähnliches. Bestimmten Personengruppen können grundsätzlich spezielle Eigenschaften und Kriterien zugeordnet werden. Ältere Damen interessieren sich mehr für Familie und die angenehmen Dinge des Lebens, während junge Frauen ihren Fokus auf Berufsausbildung, Weggehen und Männer legen. Es kann davon ausgegangen werden, dass viele Menschen die gleichen Dinge zu Hause haben, auf die ein Hellseher zurückgreifen kann: ein Kiste mit Fotos, eine Wanduhr, Erinnerungsstücke aus der Kindheit, Erbstücke von verstorbenen Verwandten usw.
Natürlich gehört zum Cold Reading auch Menschenkenntnis und die Fähigkeit, seinen Gegenüber zu lesen, um auf unbewusste Reaktionen desjenigen schnell reagieren zu können und die allgemeinen Aussagen zu korrigieren und zu verfeinern. Häufig werden auch allgemeine Aussagen getätigt oder Fragen gestellt, die den Kunden dazu bringen, selbst Dinge über sich preiszugeben. Viel lässt sich aus dem Äußeren einer Person -Kleidung, Auftreten, Gesamterscheinungsbild- ableiten. Sollte eine Aussage mal nicht zutreffen, gilt das oben Gesagte – die Menschen picken sich aus der Masse des Gesagten das hinaus, was der Realität entspricht.

Vielleicht sollte man das nächste Horoskop, das einem über den Weg läuft, doch nicht allzu ernst nehmen.

Wer sich näher dafür interessiert, dem empfehle ich die ausführliche Quelle meines Textes : Dennis Dutton .

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